Kritik an (öffentlichen) Investitionen auf Pump
Laut der Neuen Zürcher Zeitung darf beim Thema öffentliche Investitionen in der politischen Debatte nicht über die Gefahr von “Mogelpackungen und Scheingefechten” hinweggesehen werden. Die Notwendigkeit von staatlichen Ausgaben sei unbestritten, doch dürften diese von Seiten der Politik und der Wirtschaft nicht ausnahmslos als umfassende Wachstums- und Beschäftigungslösung bewertet werden. Schon gar nicht, wenn diese öffentlichen Investitionen auf Pump finanziert werden. Vielmehr wird dafür plädiert den staatlichen Haushalt durch Sparen so auszugleichen, dass Investitionen ohne neue Schuldenaufnahme finanziert werden könnten. Dieser Ansatz erinnert sehr an die aktuelle Politik des deutschen Finanzministeriums (BMF). Doch in welchem Ausmaß und wohin fließen die öffentlichen Investitionen in Deutschland?
Öffentliche Investitionen im Zeitverlauf
Die Investitionsquote in Deutschland - die öffentlichen Investitionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) - liegt heute bei rund 2,5%. Dies geht aus dem ‘Monatsbericht Mai 2017’ des BMF hervor. Demnach sind die öffentlichen Investitionen von 5% im Jahr 1970 bis auf 2,5% des BIP im Jahr 1989 gesunken. Nach einem kurzfristigen Anstieg in Folge der deutschen Wiedervereinigung, haben sich die staatlichen Ausgaben bis 2005 sukzessive auf unter 2% reduziert. Seitdem steigen die öffentlichen Investitionen jahresdurchschnittlich um 3,8%.Im Vergleich von 2005 zu 2016 sind die öffentlichen Investitionen um durchschnittlich 3,3% pro Jahr und insgesamt 427 Mrd. Euro gestiegen. Im selben Zeitraum stiegen die staatlichen Ausgaben um nur 2,5% (+ 327 Mrd. Euro), darunter die öffentlichen Investitionen mit 3,8% (+ 23 Mrd. Euro). Damit konnte das staatliche Defizit von 78,7 Mrd. Euro bzw. 3,4% des BIP in einen Überschuss von 0,8% des BIP (Überschuss von 23,7 Mrd. Euro) gedreht werden.
Haushaltswirksame Maßnahmen
Seit 2005 fokussierten sich die öffentlichen Investitionen von Bund, Ländern und Kommunen auf die Schwerpunkte Hochschulbildung und Forschung. In den Jahren 2009 bis 2011 halfen die Konjunkturpakete I und II außerdem zur kurzfristigen Steigerung der Investitionen in Folge der weltweiten Finanzkrise. Heute stellen die Ausgaben der Länder und Kommunen rund zwei Drittel der gesamten öffentlichen Investitionen in Deutschland dar. Dies wurde u.a. durch finanzielle Unterstützung des Bundes ermöglicht. In welche Projekte sind diese Investitionen geflossen und in welche werden sie noch fließen?
Gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung öffentlicher Investitionen in Ländern und Kommunen
Jahr des InkrafttretensInvestitionsziel der gesetzlichen Maßnahme*Finanzielle AuswirkungZeitraum2014(1) Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur des Bundes(2) Forschung8,0 Mrd. Euroje 1,8 Mrd. Eurobis 20172018 und 20192015(1) Ausbau der Kindertagesbetreuung(2) BAföG-Leistungen(3) Entlastung von Ländern und Kommunen(4a) Förderung von finanzschwachen Kommunen und(4b) Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme von Asylbewerbern(5) Investitionen in Bundesstraßen(6) Energieeffizienzsteigerung von Gebäuden0,75 Mrd. Euro1,17 Mrd. Euroje 1,0 Mrd. Euro3,5 Mrd. Euro1,5 Mrd. Euro1,24 Mrd. Euro5,8 Mrd. Euro2016 bis 2018p.a. unbefristet2015 bis 20172015 bis 20202015 bis 20172015 bis 20192016 bis 20202016(1) Wohnraumförderung (i.R.d. Asylverfahrenbeschleunigung)(2) Kinderbetreuung (i.R.d. Asylverfahrenbeschleunigung)(3) Ausbau des regionalen Schienenverkehrs(4) Zukunftsinvestitionspaket(5) Entlastung von Kommunen bei der Unterbringung von Asylberechigten(6) Jährliche Integrationspauschale an die Länder(7) Mittel für den Wohnungsbau in den Ländern0,5 Mrd. Euro1,983 Mrd. Euro8,2 Mrd. Euro10 Mrd. Euro2,6 Mrd. Euroje 2,0 Mrd. Euroje 0,5 Mrd. Euro2016 bis 20192016 bis 20182017 bis 20312016 bis 20182016 bis 20182016 bis 20182017 und 20182017Aufstockung der Förderung von finanzschwachen Kommunen3,5 Mrd. Euro2017 bis 20202018Weitere Entlastung der Kommunen5,0 Mrd. Europ.a. ab 20182020Neuordnung der Bund-Länder Finanzbeziehungen9,7 Mrd. Euroab 2020
*Quelle: BMF Monatsbericht Mai 2017
Europäischer Vergleich
Die Entwicklung der öffentlichen Investitionen im Euroraum seit 2005 kann - sicherlich bedingt durch die Finanzkrise - nicht mit der positiven Entwicklung in Deutschland mithalten. Die öffentlichen Ausgaben im Euroraum stiegen im Zeitraum von 2005 bis 2016 um durchschnittlich 2,4%, während die öffentlichen Investitionen im Jahresschnitt um lediglich 0,3% stiegen. Die einzigen Euro-Mitgliedsländer mit einer stärkeren Investitionsdynamik als Deutschland sind vier osteuropäische Mitgliedsstaaten: die Slowakei, Litauen, Lettland und Estland.
Öffentliche Investitionen in den Straßenbau
Laut Statistischem Bundesamt stiegen die deutschen Bruttoinvestitionen von 432,9 Mrd. Euro in 2005 (davon Bauinvestitionen: 199,7 Mrd. Euro) auf 598,5 Mrd. Euro im Jahr 2016 (308,8 Mrd. Euro). Für den Bau, den Erhalt, die Modernisierung und den Betrieb der Bundesfernstraßen in Deutschland stiegen die Investitionen für 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 19% auf mehr als 13 Mrd. Euro. Mit Building Radar finden Sie über 13,000 ausgeschriebene Bauprojekte innerhalb der Straßeninfrastruktur alleine in den letzten Zwei Jahren.